Samstag, 5. März 2022

Geschichts-Déjà-vu

(Foto aus dem Arbeitstagebuch meines Großvaters)

April / Mai 1940: Hitler - Stalin Pakt, Polen wird zwischen Nazi Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Eine große Flüchtlingsbewegung aus dem sowjetisch besetzten Teil Polens geht in Richtung Westen. Die Grenze zwischen Deutschland und der Sowjetunion verläuft westlich von Lemberg bei Przemysl. Ukrainer, Polen, Deutsche flüchten über die Grenze zu Verwandten oder werden in Lagern aufgenommen. Verweigert wird die Flucht von Seiten Nazi-Deutschlands zigtausenden Juden. Mein Großvater Otto Wächter als Gouverneur von Krakau leitet die endgültigen Gespräche darüber mit den Sowjets in Lemberg, in dem er zwei Jahre später selbst deutscher Gouverneur, nach Beginn des Krieges mit der Sowjetunion, sein wird. Juden werden an der Grenze gestoppt bzw. zurückgeschickt und ihrem Schicksaal überlassen.

März 2022: Angriffskrieg Putins auf die Ukraine. Eine große Flüchtlingsbewegung aus der von den Russen angegriffenen Ukraine geht in Richtung Westen. Die Grenze zu Polen und der EU verläuft westlich von Lemberg bei Przemysl. Ukrainer, Angehöriger anderer Staaten die in der Ukraine gelebt hatten, flüchten über die Grenze zu Verwandten, auch in weiteren Ländern der EU oder werden in Lagern aufgenommen. Verweigert wird von Seiten Polens die Flucht von Menschen aus dem Irak, Indien, afrikanischen Staaten, die in der Ukraine gelebt hatten und keinen Daueraufenthalt dort besaßen. 

Polen, Österreich und andere Staaten können auch ohne Nazis betreffend Flüchtlingen rassistisch sein. Die EU stellt es den einzelnen Staaten frei wie sie sich diesbezüglich verhalten, es gibt nach wie vor  keine gemeinsame Line der Menschlichkeit.

PS: Die abgewiesenen jüdischen Flüchtlinge hatten damals Glück im Unglück, viele wurden in der Folge nicht von den Nazis ermordet sondern „nur“ von den Sowjets deportiert, viele fielen aber nach 1941 den Nazis trotzdem zum Opfer.